Warum? Warum kennen wir uns nicht so gut, um uns von Dummheiten abzuhalten? Warum ist man immer erst hinterher schlauer? Warum?…
Kasimir lief wie auf Wolken und hätte sich- wie es immer so schön in den ganzen Büchern stand, die er so gern auf dem Bauch liegend las- mindestens zwei Augenpaare mehr gewünscht, um wenigstens ansatzweise etwas von dem zu erfassen, was er hier sah. Überall die schillerndsten Farben, wohin das Auge reichte. Dort glänzte ein Stück fruchtiges Magenta, da lag himmelhochjauchzendes Blau, links von ihm strahlte das schönste Knallrosa, dass er je gesehen hatte und als er kurz seinen Kopf wandte, um nach rechts zu blinzeln, musste er die Augen zusammenkneifen, weil ihn das honiggoldenste Gelb anstrahlte, das je seine Nasenspitze berührt hatte.
Er konnte sich nicht satt sehen.
Baumknospengrün. Waldschattenblau. Traumgranatpink. Zinnobergelb. Beigelila. Schokoladenweiß. Tiefblauschwarzes Erdbeer.
Alles drehte sich, aber er hatte keine Zeit, stehen zu bleiben. Er hielt sich die Hand über die großen, runden, bernsteinfarbenen Augen und suchte Maroo mit seinen Blicken. Da entdeckte er ihn. Mit lachendem Gesicht hüpfte er ein paar Schritte hinter dem Zitronengold auf und ab und winkte Kasimir auffordernd zu.
Der lachte erleichtert und rannte mit wehenden Locken und nackten Füßen über das samtweiche Gras.
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Maroo hatte ihn hier hergeführt. Es war sein geheimer Ort, den er nur seinen allerbesten Freunden zeigte und Kasimir war ganz aus dem Häuschen gewesen, als er ihm gestern über die Stupsnase gestrichen hatte. Ja, er wollte diesen Ort, von dem Maroo schon so viel erzählt, und von dem Kasimir schon so lange geträumt hatte, endlich kennenlernen.
Es war genauso, wie er sich es vorgestellt hatte.
Und ganz anders.
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Zusammen mit Maroo hüpfte er den verschlungenen Weg entlang und deutete aufgeregt in ein Büschel saftiges Magentagrün. Kasimir lief über das federnde Lila dorthin und biss hinein. Es schmeckte so…so…so ganz anders, als an all den anderen Orten…ganz ZehenkräuselHaarspitzenaufstellwunderbar.
So verbrachte Kasimir den ganzen Tag mit Streifzügen durch Maroos geheimen Ort, knabberte hier ein bisschen von dem Löwenzahnzinnober, schleckte dort ein wenig Orange, biss da und weiter da hinten von dem sahnigsten Pink, das seine Zunge je an seinem Gaumen zerdrückt hatte und mampfte in großen Stücken das Schokoladenweiß von den Bäumen.
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Als die Sonnenstrahlen langsam dunkler und die Farben alle von einem honigsüßen Gold überzogen wurden, blickte er das erste Mal wieder auf und blieb stehen. Völlig außer Atem, weil er die ganze Zeit gerannt war, stemmte er die Hände in die Seiten und genoss das wundersam kribbelig-warme Gefühl in seinen Armen, Beinen und Ohren, das die Farben in ihm hervorriefen. Es war wie tausend kleine Sommerregenschauer, die er so gern auf seiner Haut spürte. Dann drehte Kasimir sich einmal um sich selbst und suchte Maroo, den er schon einige Zeit nicht mehr neben sich gehört hatte.
Kurz befiel ihn die Angst, er könne ihn allein gelassen haben. Wo war er bloß? Ein paar trübe Flecken erschienen auf seiner Haut und schon fing das Einsamkeitsgefühl an, sich in ihm wohlzufühlen, als er Maroo entdeckte. Er lehnte mit geschlossenen Augen am großen Knospenbaum. Erleichtert lief Kasimir auf ihn zu und umarmte ihn, so dankbar, dass Maroo ihn hier her geführt hatte. Zusammen gingen sie nach Hause. Und auf beiden Gesichtern lag ein ruhiges Lächeln.
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Am nächsten Tag hatte Kasimir fürchterliche Kopfschmerzen. Gelb, Rot, Orange, Pink, Lila, Grün, Rosa, Blau und all die anderen Wunderbarkeiten stritten sich in seinem Kopf und es wurde ihm ganz schwindelig, sodass er sich nur ganz langsam bewegen konnte.
Oh…er hätte nicht so viele Farben auf einmal essen dürfen, dachte er traurig, während er sich seinen Kopf hielt und ließ die spitzen Ohren hängen. Eine Kullerträne glitzerte an seinen langen Wimpern und als sie sich löste, fiel sie mit einem leisen „Platsch“ auf seine Stupsnasenspitze und hinterließ einen traurigen lila Fleck auf Kasimirs goldener Haut.
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Als Maroo ihn fand, waren nur noch Kasimirs Ohrenspitzen golden.
Maroo musste aufpassen, nicht selbst ganz blau zu werden vor Traurigkeit und Sorge, nahm seinen Freund schnell in die Arme und wiegte ihn sanft hin und her, bis das Schluchzen nur noch leise und ganz selten aus seiner Kehle heraufstieg.
Kasimir zog die Nase hoch. „Ich glaube“, sagte er, und ein kleines Schluchzen entwich ihm „das nächste Mal musst Du mich an die Hand nehmen und nicht mehr loslassen und wir gehen ganz langsam den verschlungenen Pfad entlang und ich koste vielleicht von einem bisschen Erdbeerblau oder knabbere ein kleines Stück Knallrosa. Aber ich glaube, die Farben gestern waren zu schön, und zu viel um sie alle auf einmal zu kosten. Ich habe ganz schlimmes Kopfweh davon bekommen. Sie zanken sich die ganze Zeit und ich muss ihnen zuhören und kann an nichts anderes denken. Das nächste Mal bleib ich die ganze Zeit bei Dir und Du erzählst mir Geschichten, wie immer, wenn wir abends vor dem Haus sitzen, ja?“
„Ja“ flüsterte Maroo mit belegter Stimme und streichelte Kasimirs lila Stupsnase, bis sie wieder ganz golden war „Ja, das machen wir so…“ und er wischte sich leise eine schillernde Träne von der Wange.
Aaaw! Hast du das ganz allein alles ausgedacht und aufgeschrieben? Wie toll!
Und ich glaube, ich erkenne da einen Subtext… ;)
ach Claudi, da werd ich ja ganz rot…*g*
Ja, hab‘ ich mir tatsächlich alles gaaaanz allein ausgedacht und schwarz auf weiß festgehalten. Nachts kommen eben die schönsten Ideen…
Jaja…der Subtext…;-)
Also, ist es schon das was ich denke…?
Hm, ich schlaf ja nachts immer, da träume ich höchstens, das David Bowie ein fieser Verbrecher ist (habe ich heute geträumt), aber solche Geschichten kommen mir nie in den Sinn.
Naja, ist ja ganz gut, dass Dir solche Geschichten nicht in den Sinn kommen-so kommen sie zu mir und ich kann sie aufschreiben;-)
Heute nacht habe ich von unserer alten Schule geträumt…hm…da ist David Bowie schon cooler (auch, wenn er als Verbrecher unterwegs ist^^)
Und zum Subtext: Ja.
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^^
himmelhochjauchzendes Blau, zehenkräuselhaarspitzenaufstellwunderbar usw. – wie schöööööööööööööön!!! Stell das lieber nicht in den Blog, klaut vielleicht einer!!! (Ja, hab gerade SUTERs „Lila,Lila“ gelesen), aber trotzdem, auf solch wundervolle Wortschöpfungen musst du unbedingt „moins“ raufkleben!!!
Schreib ein Buch! Vielleicht zuerst ein Kinderbuch???!! Ich seh die Knirpse und die Farben und die Träne und die Stupsnase… soooo ECHT vor mir!
Ach, Ani – T O L L !!!
Ach Anke…toll, danke!:-)
*tränenausdenaugenwisch*^^
Aber die lieben Kids kriegen doch den Subtext gar nicht richtig mit, oder? Naja, vielleicht doch, vielleicht ganz kluge Kids … ;-)
Ich find den Text auch gaaaaaaaaaaanz wunderschön, eine sehr schön abstrahierte Grundidee (die du natürlich nicht explizit nennst und die ich mir als Leser selber denke und die auch deiner Meinung nach vielleicht eine ganz andere sein kann, aber interpretieren darf man ja so, wie man es selbst fühlt… jedenfalls rede ich mir das ein und ignoriere die Stimme meiner ehemaligen Deutschlehrerin, die gegenteiliges zumindest im Subtext ihrer Sprache behauptete…)!
Kurzum: Eine wirklich wundervolle Geschichte, die ein bissche ie Zwickmühle in einem selbst hervorruft.
Ach Anj, sänk ju mei dier!:-)
(vielleicht ist es für die Kids ja auch ohne Subtext eine Geschichte, die sie verstehen würden…das war glaube ich Ankes Gedanke…)
…und in welche innere Zwickmühle wirst DU geworfen?
Hm, dass etwas sehr Schönes auch immer sehr große Trauer bedeuten kann. Das unglaubliche Glückseligkeit immer einen tiefen Fall bedeuten kann. Das alles vergänglich ist. Dass man sich entscheiden muss: Ist mir das Schöne das alles wert? Verkrafte ich nach einigen Fällen noch einen Fall? Oder bleibt alles so, wie es ist: nicht wunderschön, aber auch ohne Tragik?
Das ist eigentlich nur die Nebenbeizwickmühle. Die Hauptzwickmühle ist die:
Man weiß, dass man etwas will, sogar sehr, und man weiß, dass man es leicht bekommen kann, immer wieder, ständig. Und dennoch merkt man, dass es in irgendeiner Weise nicht gut für einen ist. Obwohl es dennoch gut tut (zwickzwick). Wie bremst man sich selbst? Und sollte man das überhaupt? Aber wie schafft man das denn? Und gibt es wirklich eine goldene Mitte?
Oh Gott, was für philosophische Fragen! Da muss ich jetzt erstaml grübeln. Das ist mir grad zu anstrengend für einen Montagabend. ;)
Anj: hmmmmm….also bei dem ersten Absatz gehe ich noch mit. Ja, das ist das Problem. Dass man sich fragt, ob das Herz, das schon so oft fiese schwarze brennende Löcher aushalten musste und nun von einigen schwarzen Punkten gespickt ist, noch mehr Löcher ausshält, oder ob es irgendwann ganz schwarz wird…
Deine Hauptzwickmühle…hmmm….was ist denn das, was toll ist, was aber auf lange Sicht einem nicht gut tut (außer Süßigkeiten zu naschen natürlich*g*)? Kann ich mir gerade nicht vorstellen. Wenn etwas einem nicht gut tut, sollte man versuchen, das zu sehen und das aus dem Leben rauszuhalten…aber kommt natürlich drauf an, ich kann mir ja jetzt kein Besipiel geben…vielleicht denkst Du ja an was ganz anderes..
Also zur Hauptzwickmühle (muss mich besser ausdrücken), meinte etwas, dass einem gut tut, aber nebenbei auch etwas Negatives verursachen kann, was einem aber erst später, oder zu spät beuwsst wird. Wie zum Beipsiel Gummibärchen naschen. Das tut einem ja in erster Linie gut, weil man glücklich ist und lecker naschen kann und später merkt man: Oh ich hab Bauchweh. Man hat aber ein riesen Gummibärchenglas in der Küche zu stehen und könnte theoretisch ständig naschen und weiß auch, dass das schön ist und einen glücklich macht, dass man aber, wenn man zu viel auf einmal nimmt, Negativitäten ausgesetzt sein könnte. Aber wie viel darf man nun auf einmal essen? Und kriegt man wirklich jedes Mal Bauchweh? Vielleicht gewöhnt sich ja der Körper irgendwann dran und im Moment ist nur alles zu neu für ihn.
„Wenn etwas einem nicht gut tut, sollte man versuchen, das zu sehen und das aus dem Leben rauszuhalten…“
Glaub mir, Ani, das ist gar nicht so einfach.
Kassio: ich weiß, ich weiß. Seufz. Lebensaufgabenstellung halt.
Anj: Ja, das ist mir im Nachhinein auch aufgefallen, als ich Deinen Kommentar nochmal gelesen habe, wie Du das meintest. Tja, da hilft nur: Bauchschmerzen in Kauf nehmen, weil die so gut schmecken, oder entscheiden, dass Bauschmerzen ein zu sclimmes Opfer wären und den qualvollen Weg der Entwöhnung gehen…
Oder nur ein bisschen naschen und nur ein bisschen (oder gar kein) Bauchweh…
Was ist der Subtext?
Zwei Hobbits auf LSD?
Ansonsten ne schöne Geschichte, aber als tieferen Sinn nur als halluzinogene Drogenerfahrung zu deuten, oder? Von erster Liebe oder anderen Dingen kriegt man keine Kopfschmerzen^^.
Drum, wenn es so ist: wie kann man so blöd (sry) sein, LSD oder Pilze zu schlucken, da muss man doch geistige Probleme haben.
hm…tut mir leid, Dich enttäuschen zu müssen, aber es hat dennoch einen viel iebevolleren Hintergrund, als Drogen, auch wenn Du meinst, von „erster Liebe und anderen Dingen“ bekäme man keine Kopfschmerzen. Hier sei auch wieder einmal gesagt: Die Geschichten sollte man nicht alzu wörtlich lesen. Aber eigentlich ist es egal, denn jede_r soll darin lesen können, was er oder sie will.:-)